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Informationsdienst Wissenschaft (idw), 05.11.2003
Alle Jahre wieder: Die nächste Grippewelle kommt bestimmt
Schutzimpfung ist nach wie vor der einzige Weg, der Gefahr zu begegnen
Seit rund einem halben Jahrhundert bricht Herbst für Herbst die gleich Debatte los:
Sollte man sich nun gegen Grippe impfen lassen oder nicht? Selbst das Personal der Gesundheitseinrichtungen übt
sich bundesweit in Zurückhaltung - nur jeder Sechste in dieser Branche lässt sich den kleinen Pieks
verpassen. "Bei uns ist bereits mehr als die Hälfte der Mediziner und des Pflegepersonals gegen Influenza
gewappnet", kann Prof. Volker Schuster von der Universitäts-Kinderklinik dem entgegenhalten. Anlass,
ihn um ein Gespräch über die eigentlich unumstrittene Impfung zu bitten.
In Deutschland waren der Saison 2001/02 rund 0.8 Millionen Menschen durch Grippe arbeitsunfähig. Aber noch
schlimmer: Bundesweit werden jährlich zwischen 7 000 und 15 000 Todesfälle auf Influenza oder ihre Komplikationen
zurückgeführt. Das sind fast doppelt so viele wie im Straßenverkehr. Während der letzten größeren
Epidemie im Jahre 1995/96 forderte die Influenza schätzungsweise 30 000 Menschenleben allein in Deutschland.
"Damit ist die Grippe hierzulande die gefährlichste Infektionskrankheit. In ihrem Umfeld können
Komplikationen wie Lungenentzündung, Herzerkrankungen, Entzündung peripherer Nerven oder Hirnhautentzündung
auftreten. Das sind alles keine neuen Fakten, aber nach wie vor werden sie vom Großteil der Bevölkerung
- und eben auch der Mediziner - ignoriert. Wäre die Medien-Berichterstattung über Influenza nur halb
so spektakulär wie die über SARS, hätten wir vermutlich keine Probleme mit der Impfbeteiligung.
Und nach wie vor ist die Grippeschutzimpfung der sicherste Schutz gegen eine Influenza."
Aber die Thematik Grippeschutzimpfung bringt nun mal nicht ständig sensationelle Neuigkeiten hervor. Der Impfstoff
ist im Laufe der Jahrzehnte zwar durch die Reduzierung von Konservierungsstoffen verträglicher geworden, aber
das eigentliche Wirkprinzip ist und bleibt dasselbe: Es werden jene Virusbestandteile zu einem Impfstoff (sogenannte
"Spaltvakzine") verarbeitet, von denen angenommen wird, dass sie im kommenden Winter zur Epidemie führen
können. Durch diese Grippeimpfung wird der Organismus mit Erreger-"Abbildern", konfrontiert, die
keine Erkrankung verursachen können, den Körper aber anregen, Antikörper gegen die Oberflächenbestandteile
des Virus zu bilden. Diese Antikörper können die eindringenden lebendigen Viren unschädlich machen,
indem sie sich beispielsweise in den Schleimhautzellen von Bronchien und Lunge festsetzen und verhindern, dass
die Erreger in die oberste Schleimhautschicht eindringen und diese zerstören. Auf der Basis dieses Grundprinzips
ist Jahr für Jahr die Anpassung des Impfstoffs an den zu erwartenden Virusstamm zu absolvieren. 2003 allerdings
steht der gleiche Virus vor der Tür wie 2002. "Was nicht bedeutet", so Schuster, "dass, wer
sich im vergangenen Herbst impfen ließ, jetzt noch zuverlässig geschützt ist. Die Wirksamkeit der
Impfung tritt nach etwa zwei Wochen ein, liegt dann viele Monate zwischen 75 und 90 Prozent und beginnt spätestens
nach einem Jahr abzunehmen."
Auch wenn an der klassischen Grippeschutzimpfung gegenwärtig nicht konzentriert geforscht wird, ist Influenza
dennoch ein Thema, das die Wissenschaft bewegt. So gibt es jetzt Medikamente, die - spätestens 48 Stunden
nach dem Auftreten der ersten Symptome verabreicht - einer schweren Influenza-Infektion teilweise Paroli bieten
können. "Diese Neuraminidase-Hemmer sind jedoch keine echte Alternative zur Impfung", so Schuster,
"da sie die Erkrankung nicht verhindern, sondern nur abkürzen können und demzufolge auch keinen
Schutz vor Komplikationen bieten. "
Auch zurückliegende Epidemien haben die Forscher wieder im Visier. Virologen der USA sind derzeit dabei, den
Erreger der "Spanischen Grippe", die im Jahre 1918 weltweit 20 bis 40 Millionen Menschen dahingerafft
hat, durch die Untersuchung damals im Eis eingefrorener Opfer zu analysieren. Teile des Virusgenoms sind bereits
gesichert. Allerdings hält Schuster auch sein Unbehagen nicht zurück: "Einen offenbar nicht mehr
existenten hochgefährlichen Erreger auf diese Welt zurückzuholen - und sei es auch nur in die Labors
- ist sehr problematisch, vor allem mit Blick auf die gegenwärtige Terrorismusdebatte. Unter Medizinern wird
das ausgesprochen kontrovers
diskutiert."
Marlis Heinz
weitere Informationen:
Prof. Dr. Volker Schuster
Tel.: 0341/ 97 - 26228
E-Mail: schv@medizin.uni-leipzig.de
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