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dpa / news aktuell - ots, 30.05.2003
Die medizinische Versorgung der Diabetiker ist künftig nicht gesichert
Bremen (ots) - Die Zahl der Menschen, die an einem Diabetes mellitus
oder dessen Vorstufen leiden, ist in Deutschland weit größer als bisher angenommen. Damit dürfte
in den kommenden Jahren eine regelrechte Flut an Diabetikern auf uns zurollen, deren medizinische Versorgung und
Betreuung speziell vor dem Hintergrund der geplanten Strukturveränderungen im Gesundheitswesen in keinster
Weise gesichert ist. Darauf hat Dr. Rüdiger Landgraf aus München als scheidender Präsident der Deutschen
Diabetes Gesellschaft in seiner Eröffnungsrede bei der 38. Jahrestagung der Gesellschaft in Bremen aufmerksam
gemacht.
Bei der Untersuchung einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe in der Region Augsburg, dem so genannten
KORA-Surveys, wurde nach Landgraf festgestellt, dass rund 8 Prozent der Bevölkerung an einem Diabetes mellitus
leiden, der bekannt war. Ebenso häufig wurde allerdings ein bis dato unbekannter Diabetes registriert und
bei 14 Prozent der Untersuchten zeigten sich eindeutige Auffälligkeiten des Zuckerstoffwechsels im Sinne einer
verschlechterten Glukosetoleranz, die von den Experten als Vorstufe des Diabetes gedeutet wird und mit einem hohen
Risiko für eine Diabetes-Entwicklung verbunden ist.
Damit weisen rund 40 Prozent der Bevölkerung eindeutige Auffälligkeiten hinsichtlich ihres Kohlenhydratstoffwechsels
auf. Dennoch werden derzeit nach Landgraf schmerzliche Einschnitte im Leistungskatalog der Krankenkassen diskutiert
und geplant und das insbesondere bei der Betreuung chronisch kranker Menschen, was zwangsläufig auch die Diabetiker
betrifft. "Es ist eine dramatische Umstrukturierung in unserem Gesundheitswesen in vollem Gange", erklärte
Landgraf in Bremen. Dabei werde mehr "solidarischer Wettbewerb" gefordert, laut Landgraf "ein Widerspruch
in sich". Der Forderung nach Wettbewerb stehe zudem eine zunehmende Bürokratisierung, eine zunehmende
Reglementierung und auch eine regelrechte Verstaatlichung der edizin gegenüber.
Die geplanten Veränderungen werden nach Landgraf letztlich dazu führen, dass die Ärzte in den
Kliniken bei gleichem oder verringertem Personalbestand und gleichzeitiger Zunahme der administrativen Aufgaben
und Dokumentationspflichten eine adäquate Krankenversorgung nicht mehr werden gewährleisten können.
Auch werde die "Depersonalisierung der Arzt-Patienten-Beziehung" fortschreiten und das speziell bei chronisch
Kranken, mahnte der Mediziner. Er wies ferner darauf hin, dass zwangsläufig vor diesem Hintergrund auch die
Aus- und Weiterbildung junger Ärzte leiden werde und eine drastische Einschmelzung der klinischen Diabetes-Forschung
vorprogrammiert sei.
"Sicherlich bedarf es einer Reform des Gesundheitswesens", räumt Landgraf ein. Diese aber solle
vor allem auf Prävention setzen, da dadurch erhebliche Kosteneinsparungen möglich wären. Für
die Misere im Gesundheitswesen sind nach Landgraf außerdem Fehler der Politik verantwortlich, für die
jedoch die gesetzliche Krankenversicherung aufkommen müsse. Als Beispiel nannte der Diabetologe die versicherungsfremden
Leistungen, bei denen es sich um "ungerechterweise erhobene verkappte Steuern" handele. Er forderte deshalb
vor allem den Abbau nicht krankheitsbezogener Leistungen wie die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen
oder eine Ermäßigung des Beitrags während des Erziehungsurlaubs. Der Beitragssatz der gesetzlichen
Krankenversicherung könnte dadurch, so Landgraf, um 3 Prozent gesenkt werden. Die
krankenversicherungsfremden Leistungen sollten dann durch Konsumsteuern finanziert werden.
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft hat nach den Worten ihres Präsidenten die medizinischen, sozio-ökonomischen,
berufs- und gesundheitspolitischen Probleme und Aufgaben erkannt und angenommen. Die Gesellschaft hat evidenz-basierte
Leitlinien erarbeitet und publiziert und sich aktiv an der Entwicklung von Modellen der Versorgung beteiligt und
damit wesentlich dazu beigetragen, die Betreuung der Diabetiker in Deutschland zu verbessern und Grundlagen zu
legen für eine qualitätsorientierte und ökonomisch vertretbare Diabetologie. In diesem Zusammenhang
nannte Landgraf auch die Entwicklung und Implementierung des Diabetes-Qualitäts-Modells (DQM), das einen Meilenstein
in der Versorgung und Betreuung von Menschen mit Diabetes darstelle und das auf allen Versorgungsebenen.
Pressekontakt:
38. Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft, DDG, Bremen
Rückfragen und weitere Informationen erhalten Sie von der
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