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Informationsdienst Wissenschaft (idw), 09.05.2003
Lebensretter Schwein?
6. Minisymposium "Xenotransplantation" am Robert Koch-Institut
Wichtige wissenschaftliche Ergebnisse haben im letzten Jahr die Xenotransplantation auf
dem Weg zur klinischen Anwendung weiter vorangebracht. "Doch ungeachtet dieser Erfolge können der Nutzen
für die Patienten und die möglichen Risiken dieser Behandlungsform noch nicht vollständig abgeschätzt
werden". Dieses Fazit zieht Prof. Reinhard Kurth, Präsident des Robert Koch-Instituts für das 6.
Minisymposium Xenotransplantation. Zur Diskussion der neuen wissenschaftlichen Entwicklungen treffen sich am 9.
Mai 2003 Transplantationsmediziner, Immunologen, Virologen, Ethiker, Juristen und Vertreter der zulassenden Behörden
auf dem Minisymposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Xenotransplantation (DAX) im Robert Koch-Institut.
Die Tagung wird dieses Jahr erstmals gemeinsam mit der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) veranstaltet.
In die Xenotransplantation, die Übertragung von Zellen, Geweben und Organen vom Tier auf den Menschen, setzen
viele Mediziner und Patienten große Hoffnungen. Denn die Methode könnte die Probleme, die durch den
Mangel an humanen Spenderorganen entstehen, beseitigen helfen und auch für Krankheiten wie Diabetes oder Alzheimer
Heilungschancen eröffnen.
Wichtigster aktueller Erfolg in Deutschland ist die Geburt geklonter Schweine. Nach Einschätzung von Prof.
Heiner Niemann vom Institut für Tierzucht in Mariensee wird dies der Xenotransplantationsforschung in Deutschland
wichtige Impulse geben, da sich die Klonierungstechnik auch bei Schweinen mit gezielt eingebrachten genetischen
Veränderungen einsetzen lässt. Damit können zukünftig Schweine, deren Gewebe für den Menschen
durch gezielte genetische Veränderungen verträglicher gemacht wurde, in größerer Zahl als
bisher erzeugt werden.
Schweine sind wegen ihres Stoffwechsels, der dem des Menschen ähnelt, der vergleichsweise großen mikrobiologischen
Sicherheit, der Organgröße und aus Kostengründen die favorisierten Spendertiere. Drei Hürden
müssen vor einer breiten klinischen Anwendung der Xenotransplantation überwunden werden: die Verhinderung
der Abstoßung des Transplantats, die Sicherstellung der Funktion des Transplantats im fremden Organismus
und die Verhinderung der Übertragung von krankmachenden Mikroorganismen auf den Patienten. Die weit fortgeschrittene
Charakterisierung von Viren des Schweins und die Entwicklung empfindlicher Methoden zum Nachweis dieser Erreger
durch Dr. Bernhard Ehlers vom Robert Koch-Institut und Dr. Roland Zell, Universität Jena, hatte wichtige Grundlagen
gesetzt für die Züchtung von Tieren, die solche Erreger nicht besitzen.
Während die meisten Erreger durch Auswahl und geeignete Haltung der Schweine beseitigt werden können,
ist das für so genannte PERVs nicht möglich. Diese "porcinen endogenen Retroviren" sind im
Erbgut aller Schweine verankert. Mehrere Arbeitsgruppen, darunter die von Dr. Joachim Denner im Robert Koch-Institut,
hatten in früheren Jahren im Experiment nachweisen können, dass PERVs menschliche Zellen infizieren können.
In einer Versuchsreihe zeigte Denner kürzlich, dass Affen, denen große Mengen an porcinen endogenen
Retroviren verabreicht wurden, und deren Immunsystem ähnlich wie bei einer Transplantation unterdrückt
wurde, nicht mit dem Virus infiziert worden sind. Auch bei Affen, die Organe vom Schwein erhalten hatten, und bei
Patienten, die erste klinisch-experimentelle Xenotransplantationen erhielten, zum Beispiel Inselzellen des Schweins
bei Diabeteskranken, konnten die RKI-Wissenschaftler keine Übertragung von PERVs nachweisen. Neue, spezifischere
und sensitivere Nachweismethoden ermöglichen inzwischen eine effizientere Untersuchung der Empfänger
von experimentellen und klinischen Xenotransplantaten auf PERVs.
Neben den immunologischen und physiologischen Aspekten der Xenotransplantation sind auch deren juristische und
ethische Aspekte Thema beim Minisymposium. "Die DAX, in der Transplantationschirurgen, Immunologen, Physiologen,
Veterinärmediziner, Mikrobiologen, Virologen, Ethiker, Industrie- und Behördenvertreter zusammenarbeiten,
sieht gemeinsam mit der DTG ihre Aufgabe auch in der Erarbeitung von Kriterien für die klinische Anwendung
der Xenotransplantation", sagt Joachim Denner, DAX-Leiter und Organisator der Tagung. Die von internationalen
Gremien aufgestellten Regularien und die Richtlinien der deutschen Bundesärztekammer stellen PD Dr. Ralf Tönjes,
Langen, bzw. Prof. Karl-Friedrich Sewing, Hannover, vor. Bei der Erarbeitung derartiger Richtlinien muss einerseits
den Patienten Rechnung getragen werden, die ohne eine Transplantation häufig frühzeitig sterben, andererseits
sollte vermieden werden, dass neuartige Krankheitserreger vom Tier in den Menschen gelangen und sich möglicherweise
in der Bevölkerung ausbreiten.
In der abschließenden Rundtisch-Diskussion werden Effektivität und Virussicherheit bei ersten klinischen
Xenotransplantationen analysiert, in denen bislang mehr als 200 Patienten Zellen und Gewebe vom Schwein erhielten.
Dabei handelte es sich vorwiegend um Diabetiker, die Inselzellen vom Schwein, Parkinson-Patienten, die neuronale
Zellen vom Schwein, und Patienten mit akutem Leberversagen, die mit Schweineleberzellen behandelt wurden. In keinem
Fall wurde eine Übertragung von Schweineviren beobachtet. "Um die Chancen der Xenotransplantation im
Interesse der Patienten voll auszunutzen und um etwaige Risiken von vornherein auszuschalten, sind eine verstärkte
naturwissenschaftliche Forschungstätigkeit und eine sachliche öffentliche Diskussion notwendig",
fordert RKI-Präsident Kurth.
Traditionell diskutieren die Xenotransplantationsexperten auf dem 6. Minisymposium auch alternative Möglichkeiten
zur Behandlung von Patienten mit Organ- und Gewebeschäden. Nachdem im vergangenen Jahr die adulten Stammzellen
Thema waren, ist diesmal Prof. Jürgen Hescheler, Universität Köln, mit einem Vortrag zu embryonalen
Stammzellen zu Gast. Jürgen Hescheler hatte vom Robert Koch-Institut kürzlich die Genehmigung zum Import
solcher Zellen bekommen. Um mit humanen Stammzellen später Krankheiten heilen zu können, rechnet Jürgen
Hescheler, allerdings "mit einem Zeitraum von etwa zehn bis zwanzig Jahren".
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