DDB Deutscher Diabetiker Bund, 23.03.2006

100.000 Unterschriften im Bundesgesundheitsministerium übergeben

Kurz wirksame Analoginsuline: Protestaktion "Patienten wehren sich"

Berlin, 23.03.2006. Mit rund 100.000 Unterschriften protestieren Diabetespatienten gegen die drohende Herausnahme der kurz wirksamen Analoginsuline aus der Verordnungsfähigkeit. Die Unterschriften wurden gemeinsam mit einem Resolutionstext am letzten Mittwoch, 22. März 2006, dem Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder, durch den Deutschen Diabetiker Bund (DDB), die Deutsche Diabetes Union (DDU) und den Berufsverband Deutscher Diabetologen (BDD) in den Räumen des Ministeriums in Berlin übergeben. „Die gewaltige Zahl an Unterschriften kam in nur wenigen Wochen zustande. Die Aktion wird auch im April weitergeführt. Dann wird voraussichtlich der Gemeinsame Bundesausschuss über die Verordnungsfähigkeit entscheiden“, beschreibt Manfred Wölfert, Vorsitzender des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB). Die Patientenkampagne startete Anfang Februar.

Staatssekretär Dr. Schröder würdigte bei der Übergabe das Engagement der Patientenverbände, die Unterschriftenaktion organisiert zu haben. Er betonte die Bereitschaft, mit den Verbänden der Diabetiker im Gespräch bleiben zu wollen. Für das Ministerium waren Fragen der Einbindung der Patienteninteressen in den Bewertungsprozess der kurz wirksamen Insulinanaloga u.a. durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) von Interesse. Auch wurde die Bedeutung der Methoden durch den Staatssekretär betont, auf deren Grundlage die Bewertung der Arzneimittel vorgenommen wurde.

An den Patienten denken

Manfred Wölfert hob hervor, dass für Diabetespatienten, die mit dem herkömmlichen Humaninsulin die erhofften Therapieziele nicht erreichen, weiterhin kurz wirksame Analoga als Option zur Verfügung stehen sollen. Zum Hintergrund: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird im Laufe des April eine Empfehlung zu den kurz wirksamen Analoginsulinen veröffentlichen. Diese Empfehlung basiert auf dem Mitte Februar veröffentlichten Abschlussbericht des IQWiG, der den Zusatznutzen dieser Medikamente in Frage stellte. Im Ergebnis muss der DDB befürchten, dass damit deren Anwendung zur Behandlung von Typ-2-Diabetikern aus der Arzneimittelrichtlinie herausfallen könnte und somit den gesetzlich versicherten Patienten regulär nicht mehr für die Therapie zur Verfügung stünde.

Erfahrungen aus Europa

Die Übergabe der Unterschriften nutzten die Verbände zur Erläuterung ihrer Position. Im Mittelpunkt stand dabei das IQWiG, das im Auftrag des G-BA Arzneimittel bewertet. „Das IQWiG als Institution ist zu begrüßen. Es gibt in Europa bereits zahlreiche Vorläufer zur Bewertung von Arzneimitteln. Kritisch zu hinterfragen ist immer die Methodik, auf deren Grundlage dies geschieht. In Großbritannien finden z.B. auch die Erfahrungen der Patienten und Aspekte der Lebensqualität Eingang in die Arzneimittelbewertung – diese Vorgehensweise sollte auch für Deutschland beispielgebend sein“, schildert Prof. Dr. med. Eberhard Standl, Vorsitzender der Deutschen Diabetes Union und Chefredakteur des Patientenmagazins „Diabetes Journal“.

Außerdem, so der Vorsitzende des DDB Manfred Wölfert, setzen sich die Verbände für eine individuelle, Patienten orientierte Behandlung durch den Arzt ein, die weiterhin möglich sein muss. „Die Therapieentscheidung ist unter Berücksichtigung des Umfelds des Patienten und mit Blick auf den Erhalt seiner Lebensqualität durch den Arzt zu treffen“, ergänzte PD Dr. med. Klaus-Jürgen Ruhnau vom Berufsverband der Deutschen Diabetologen (BDD). Die Verbände hoben hervor, dass die Behandlung nicht auf politischer, sondern auf medizinischer Grundlage basieren soll.

Ein prominenter Zeuge

Genau in diesem Punkt erhielten die Verbände im Vorfeld der Übergabe der Unterschriften unerwartet Hilfe. Und diese Hilfe kam von demjenigen, der die ganze Entwicklung erst ins Rollen gebracht hatte: Prof. Dr. med. Peter Sawicki, Leiter des IQWiG, das den Nutzen der kurz wirksamen Analoginsuline negativ bewertet hatte. Die Verbände DDB, DDU und BDD sind erfreut, das Prof. Sawicki selbst seinen Standpunkt relativiert hat und sich auf ihre Position zu bewegt: „Wissenschaft ist nur ein, zwar wichtiger, aber nicht ausschließlicher Teil der Entscheidung. Hinzu kommen die Versorgungsrealität und die Werte einer Gesellschaft“, so Prof. Peter Sawicki, anlässlich der „Mitteldeutschen Fortbildungstage für Vertragsärzte“ in Leipzig am Freitag, 17. März. In dieser Äußerung sehen die Verbände eine Bestätigung ihrer Position: „Wir hoffen auf Prof. Sawickis Unterstützung. Wir fordern, dass der Gemeinsame Bundesausschuss diese Patienten bezogene Evidenz gleichwertig in seiner Entscheidung berücksichtigen muss“, erläutert Manfred Wölfert.

Dann werden Verbände sehr genau prüfen, wie sie mit dem Inhalt der G-BA-Verlautbarung umgehen müssen. „Wir werden bis zur verbindlichen politischen Entscheidung erneut unsere gleichberechtigte Mitwirkung und Einbeziehung einfordern. Parallel dazu nutzen wir jede Gelegenheit, um uns kritisch zur Methodik sowohl in der Erarbeitung der Nutzenbewertung als auch in den Anhörungen und Stellungnahmeverfahren zu äußern“, hob Manfred Wölfert vom DDB hervor.

Politik beim Wort nehmen

Auch hier können sich die Verbände auf prominente Unterstützung berufen. Sie greifen einen Vorschlag der Parlamentarischen Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf, die anlässlich des Nationalen Diabetes-Forums am Mittwoch, 15. März, in Berlin berichtete, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit ein Netzwerk all derer anstreben zu wollen, die vom Thema Diabetes als Patienten und Leistungserbringer betroffen sind. Dies sei deshalb unabdingbar, weil nur mit einer gleichberechtigten Bündelung aller Kräfte notwendige Fortschritte im Gesundheitswesen erreicht werden können. „Wir werden die Politik an ihre guten Absichten erinnern“, betonte PD Dr. med. Klaus-Jürgen Ruhnau vom BDD.

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Unterschriftenaktion für Insulin-Analoga


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