Junge Patienten, die unter hormonell bedingten Krankheiten wie Diabetes
Typ1 oder Schilddrüsenfunktionsstörungen leiden, geraten in der Pubertät oft in eine schwierige
Lage: Sie sind zu alt, um sich weiter in einem pädiatrisch-endokrinolgischen Zentrum von Kinderärzten
betreuen zu lassen, die sich mit dem Krankheitsbild auskennen. Internisten, die sie dann weiter behandeln, haben
oft nicht genügend Erfahrungen mit diesen seltenen Krankheitsbildern. Damit fallen Patienten im „Fast-Erwachsenenalter“
häufig in eine Versorgungslücke, die fatale gesundheitliche Folgen haben kann. Dieser Missstand liesse
sich durch so genannte Übergangssprechstunden vermeiden. Wie so etwas funktionieren kann, erörterten
kürzlich Experten bei einem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie in Göttingen.
Vorreiter ist die Medizinische Klinik der Universität in Kiel. Dort wurde vor sechs Jahren eine gemeinsame
Sprechstunde von Kinderärzten und Internisten etabliert, die einen allmählichen Übergang in die
weitere internistische Behandlung ermöglicht. Man könne von einem heranwachsenden Patienten nicht erwarten,
dass er das Vertrauen, das er über Jahre hinweg zu seinem Pädiater aufgebaut habe, ohne Vorbereitung
auf einen ihm fremden Internisten übertrage, sagte der Kieler Professor Heiner Mönig.. Durch die gemeinsame
Sprechstunde dagegen könne sich der Internist besser in den oft sehr komplexen Einzelfall hineindenken.
Wie wichtig ein solch abgestimmter Übergang ist, machte er an dem Beispiel einer Patientin deutlich, die an
dem so genannten adrenogenitalen Syndrom leidet. Bei dieser chronischen Krankheit kommt es zu einer übermäßigen
Ausschüttung männlicher Geschlechtshormone. Nachdem die Patientin mehr als zwei Jahrzehnte lang in einer
Kinderklinik betreut worden war, ließ sie sich von ihrem Hausarzt weiter betreuen. Ohne vorherige Rücksprache
mit den bislang behandelnden Pädiatern veränderte dieser die bisherige Medikamentation. Folge: Die Patientin
bildete zu viele männliche Hormone, war am ganzen Körper behaart und hatte keine Regelblutung mehr. Solche
Behandlungsfehler ließen sich bei einer engen Abstimmung zwischen den Ärzten vermeiden, sagte Mönig.
Das Kieler Modell habe sich sehr bewährt. Inzwischen würden dort jede Woche durchschnittlich ein bis
zwei Patienten von der pädiatrischen in die internistische Ambulanz übergeben.
Auch am Zentrum für Innere Medizin der Universität Frankfurt gibt es inzwischen endokrinologische Übergangssprechstunden.
Dies reiche jedoch nicht aus, vielmehr bestehe ein bundesweiter Bedarf an derartigen Einrichtungen, sagte die Frankfurter
Expertin Prof. Petra Schumm-Draeger. Nötig sei eine Netzstruktur zwischen universitärer Poliklinik, Schwerpunktpraxen
und Hausärzten. Dafür müssten auch sektorale Grenzen überwunden werden. Genau das sei das Problem:
Für die bisherigen Einrichtungen gebe es keinerlei Vergütung, sie seien nur dem Engagement der beteiligten
Mediziner zu verdanken. In Verhandlungen mit den Krankenkassen soll deshalb jetzt die bisher ungelöste Frage
der Finanzierung geklärt werden.