Bundesministerium für Gesundheit, 28.05.2002
Stellungnahme des Bundesministeriums
für Gesundheit zu den im
Gespräch zu den strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch kranke Versicherte mit Diabetes mellitus
Typ 2 in Berlin am 23.5.2002 angesprochenen Aspekten.
Die Förderung strukturierter Behandlungsprogramme über den Risikostrukturausgleich
hat qualitativ hochwertige und gut koordinierte Versorgung chronisch kranker Patienten zum Ziel. Die Behandlung
der Patienten in den Programmen soll nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft unter Berücksichtigung
von evidenzbasierten Leitlinien oder nach der jeweils best verfügbaren Evidenz erfolgen. Dabei stehen solche
Behandlungen im Vordergrund, die nachgewiesenermaßen das Fortschreiten der Erkrankung und das Auftreten von
Komplikationen soweit wie möglich verhindern. Hierzu werden beispielsweise von den zur Verfügung stehenden
zugelassenen Arzneimitteln in erster Linie diejenigen empfohlen, für die in langjährigen Studien eine
positive Wirkung nachgewiesen wurde.
Strukturierte Behandlungsprogramme erfordern darüber hinaus verbindliche und aufeinander abgestimmte Behandlungs-
und Betreuungsprozesse über Krankheitsverläufe und institutionelle Grenzen hinweg. Gleichzeitig ist für
diese Programme charakteristisch, dass die Patienten selbst soweit informiert und geschult werden, dass sie kompetent
und erfolgreich an der Behandlung mitwirken und das Fortschreiten der Erkrankung durch positive Verhaltensänderung
beeinflussen helfen. Des weiteren können nur solche Leistungserbringer an den Behandlungsprogrammen teilnehmen,
die die von den Vertragspartnern vereinbarten Qualitätsanforderungen erfüllen.
Wie wir in dem Gespräch festgestellt haben, richtete sich Ihre Kritik in erster Linie auf den vom AOK-Bundesverband
vorgelegten Disease-Management-Programm-Entwurf "Curaplan". Diese Inhalte sind jedoch nicht mit den Empfehlungen
des Koorinierungsausschusses identisch, die als Anlage dem am 24.5.2002 versandten Referentenentwurf der Vierten
Verordnung zur Änderung der Risikostrukturausgleichsverordnung beigefügt worden.
Über die ausführliche Diskussion hinaus nehme ich im Einzelnen wie folgt Stellung:
Beteiligung der Betroffenen:
Das Bundesministerium für Gesundheit hat unmittelbar nach Erhalt der Empfehlung des Koordinatenausschusses
u.a. mit dem Deutschen Diabetiker Bund das Gespräch geführt. Darüber hinaus wird im Rahmen der Anhörungen
zur Rechtsverordnung den betroffenen Institutionen und insbesondere auch den Selbsthilfe-Organisationen ausreichend
Gelegenheit gegeben, ihre Bewertungen schriftlich und mündlich vorzubringen.
Altersbegrenzung in strukturierten Behandlungsprogrammen:
In der vom Koordinierungsausschluss einvernehmlich beschlossenen Empfehlung zu den Anforderungen an strukturierte
Behandlungsprogramme für Diabetes mellitus Typ 2 ist nicht vorgesehen, dass die in ein strukturiertes Behandlungsprogramm
eingeschriebenen Patienten vom Erreichen einer bestimmten Altersgrenze an von bestimmten Leistungen ausgeschlossen
werden. Die Anforderungen erhalten lediglich die allgemeine Vorgabe für die Leistungserbringer, in jedem Einzelfall
zu prüfen, ob der Patient von der medizinischen Intervention profitieren kann. Desgleichen wird die Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
keine Altersgrenzen für die Erbringung medizinischer Leistungen aufnehmen.
Prävention:
Strukturierte Behandlungsprogramme zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass der Sekundär- und Tertiärprävention
ein breiter Raum eingeräumt wird. Allein die Primärprävention ist vor dem Hintergrund, dass nur
chronisch Kranke einbezogen sind, nicht Bestandteil der Programme.
Berücksichtigung der Nationalen Versorgungs-Leitlinie:
Bei den intensiven Beratungen des Koordinierungsausschusses über die von ihm zu beschließenden Empfehlungen
wurden auch die Entwürfe der Nationalen Versorgungs-Leitlinie berücksichtigt.
Schulungsmaßnahmen:
Vorraussetzung für die Zulassung eines strukturierten Behandlungsprogramms durch das Bundesversicherungsamt
ist, dass für Patienten und Leistungserbringer Schulungen durchgeführt werden.
HbA1c-Wert:
Zu diesem Punkt hat es in der Sektion des Koordinierungsausschusses eine ausführliche Diskussion gegeben.
Die Formulierung "ein HbA1c-Wert von 8% ist anzustreben, sofern nicht andere Indikationen eine noch niedrigere
BZ-Einstellung erfordern" lässt den notwendigen Behandlungsspielraum; begründete Abweichungen sind
daher möglich.
Berücksichtigung von Typ 1 Diabetikern:
Das Bundesministerium für Gesundheit hatte dem Koordinierungsausschuss auch den Auftrag zur Erarbeitung von
Empfehlungen zu Diabetes mellitus Typ 1 gegeben. Dieser hat jedoch in der vereinbarten Zeit diese nicht vorlegen
können; es ist beabsichtigt, dies sobald wie möglich nachzuholen.
Analog-Insuline:
Es wird auch zukünftig nicht ausgeschlossen sein, dass Analog-Insuline verordnet werden können. Allerdings
sieht der Entwurf der Rechtsverordnung vor, dass in den Disease-Management Programmen vorrangig Medikamente verwendet
werden sollen, deren positiver Effekt im Hinblick auf die Erreichung der Therapieziele nachgewiesen wurde. Vor
diesem Hintergrund werden die Vor- und Nachteile einer Behandlung mit Insulin-Analoga den in strukturierten Behandlungsprogrammen
eingeschriebenen Patienten durch den Leistungserbringer erläutert werden müssen. Sofern aus Patienten-
oder Arztsicht ein Abweichen von einer in der Rechtsverordnung empfohlenen Behandlung notwendig ist, kann in begründeten
Fällen davon abgewichen werden.
Teststreifen zur Eigenkontrolle:
Das Bundesministerium für Gesundheit ist der Auffassung, dass die Selbstkontrolle des Blutzuckers eine wichtige
Maßnahme für Patientinnen und Patienten ist. Der Entwurf der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung enthält
keine Einschränkungen zum Einsatz von Teststreifen.
Importarzneimittel:
Importarzneimittel unterliegen den gleichen Anforderungen hinsichtlich Produktqualität, Verpackung und Lagerung
wie alle anderen Arzneimittel. Hierbei gelten ebenfalls die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes hinsichtlich
Zulassung und Überwachung. Die Aufsicht über die Einhaltung der Produktqualität, der ordnungsgemäßen
Verpackung und der Lagerung obliegt der Arzneimittelüberwachung der Länder.
Behandlung des diabetischen Fuß-Syndroms:
Ausweislich des Entwurfes der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung haben die strukturierten Behandlungsprogramme
sicherzustellen, dass routinemäßige Inspektionen der Füße vorzunehmen sing und ggf. eine
Überweisung an auf das diabetische Fußsyndrom spezialisierte Einrichtungen vorzunehmen ist.
Gesundheits-Pass Diabetes:
Die Rechtsverordnung schließt eine Anwendung des "Gesundheitspass Diabetes" in strukturierten Behandlungsprogrammen
nicht aus. Auch aus Sicht des BMG ist dieser Pass ein wichtiges Mittel der Qualitätssicherung.
Datentransfer:
Im Rahmen der Durchführung der strukturierten Behandlungsprogramme müssen die Daten erhoben werden, die
für die Steuerung, die Qualitätssicherung und die Evaluation der Programme erforderlich sind. Die strukturierten
Behandlungsprogramme haben die gesetzlichen Regelungen des Datenschutzes, insbesondere die Grundsätze der
Datensparsamkeit und der Datenvermeidung, zu beachten. Zu diesem Zweck werden die Regelungen der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz abgestimmt. Dem Schutz der Sozialdaten der Betroffenen wird
daher ausreichend Rechnung getragen.
Bundesministerium für Gesundheit
DR: Edwin Smigielski
Leiter der Abteilung Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung
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