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dpa / news aktuell - ots, 03.01.2005
Dicker Bauch, hoher Zucker, krankes Herz
Der mit 600.000 Euro dotierte Forschungspreis der Novartis-Stiftung für
therapeutische Forschung geht an Wissenschaftler aus Ulm, Heidelberg, Göttingen und Köln
Nürnberg (ots) - Die Zahlen wirken so ernüchternd wie erschreckend: Fast 50
Millionen Deutsche schleppen zu viel Speck mit sich herum; gut 15 Millionen leiden an Fettleibigkeit. Die
Zuckerkrankheit gefährdet Leben und Wohlbefinden von sieben Millionen Menschen. Und etwa 50 Millionen Bundesbürger
zeigen an den Innenwänden ihrer Adern krankhafte Veränderungen (Arteriosklerose), die oft zu Herzinfarkt
und Schlaganfall führen. Wer dick ist, wird häufiger zuckerkrank! Wer zuckerkrank ist, wird häufiger
herzkrank! Die Phänomene hängen ursächlich zusammen. Nur wie? Das aufzuklären zählt derzeit
zu den spannendsten Fragen der medizinisch-biologischen Wissenschaft. Darum zeichnet die Novartis-Stiftung für
therapeutische Forschung vier Projekte aus, die sich der Schnittstelle der Volkskrankheiten widmen.
Die Projektförderung in Höhe von 600.000 Euro bekommen zu gleichen Teilen die Forscherteams von
- Prof. Dr. Jens Claus Brüning von der Universität Köln
- Dr. Stephan Herzig vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg
- Prof. Dr. Katrin Schäfer und Prof. Dr. Stavros Konstantinides von der Universität
Göttingen
- Prof. Dr. Thomas Wirth und Prof. Dr. Walter Knöchel von der Universität Ulm
Grundlegende Aspekte
Im Zentrum des Dreiecks Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Arterioklerose stehen zwei Prozesse.
Zum einen die "Insulin-Resistenz". Physiologisch gesehen beruht der Typ-2-Diabetes auf einer Störung
im Stoffwechsel des Bauchspeicheldrüsenhormons Insulin. Auf dessen Kommando nehmen vor allem Muskel- und Leberzellen
den Zucker aus dem Blut auf. Beim Typ 2-Diabetes versiegt die Produktion von Insulin erst allmählich. Das
Kommando ist also jahrelang noch da - aber die Zellen von Muskeln und Leber empfangen es nicht mehr richtig. Die
molekularen Antennen (Insulin-Rezeptoren) auf ihrer Oberfläche, die das Hormonsignal aufnehmen und nach innen
weitergeben, werden immer unsensibler. Gleichzeitig nimmt ihre Zahl stetig ab.
Zum anderen die Arteriosklerose als entzündlicher Prozess. Denn die Wucherungen in den Adern wachsen als
Folge einer stetig fortschreitenden Entzündung. Meist schon in der Kindheit beginnend, haften sich Fresszellen
(Makrophagen) an den Innenwänden der Gefäße an. Die Zellen rotten sich zusammen, wandeln sich,
lagern haufenweise schädliches Cholesterin ein. So wächst eine entzündliche Ablagerung ("Plaque")
heran, deren Zellen stetig neue entzündungsfördernde Signalstoffe produzieren. Bricht die dünne
Schutzschicht zwischen Plaque und Gefäßinnenraum auf, nimmt das Unheil seinen Lauf. Der Plaque löst
sich und kann im Zuge einer Thrombose eine hauchdünne Herzkranzarterie verstopfen. Ergebnis: der Infarkt.
Projekte
Katrin Schäfer und Stavros Konstantinides aus der Abteilung Kardiologie und Pneumologie der Universität
Göttingen beleuchten den Einfluss des Hormons Leptin auf die Entzündung in der Gefäßinnenwand.
Leptin ist einer jener entzündlichen Signalstoffe, die Fettzellen produzieren. Dabei gilt: Je mehr Fett, desto
mehr Leptin im Blut. Und das ist gefährlich. Denn vermutlich "hemmt Leptin als Bindeglied zwischen Übergewicht
und Arteriosklerose natürliche Reparaturprozesse in der Gefäßinnenwand", sagt Katrin Schäfer.
Konkret wandern normalerweise Blutstammzellen des Knochenmarks in die Plaques ein, um die geschädigte Gefäßwand
zu reparieren - eine Art Rettungstruppe. Bei bestimmten Risikofaktoren für Herzkreislaufkrankheiten wie Typ-2-Diabetes
oder Rauchen "ist die Rekrutierung dieser Zellen und damit der Heilungsprozess gestört", betont
die Preisträgerin. Für den Risikofaktor Übergewicht gibt es noch keine entsprechenden Studien. Allerdings
tragen diese Blutstammzellen den Rezeptor des Leptins auf ihrer äußeren Hülle. Die jetzt zu untermauernde
These der Wissenschaftler: Bindet Leptin an diesen Rezeptor, löst es eine ganze Kette von Signalen aus, die
die Reparatureinheit normalerweise erst aktivieren. Allerdings schütten fettleibige Menschen derart viel Leptin
aus, dass die Rezeptoren abstumpfen. Und damit wird die körpereigene Rettungstruppe gegen die Arteriosklerose
lahm gelegt. Langfristiges Ziel: Die Blutstammzellen so zu modulieren, dass sie wieder eingreifen können.
Stephan Herzig von der Abteilung Molekulare Stoffwechselkontrolle des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg
verfolgt erste Hinweise, wonach nicht nur Muskel- und Leberzellen gegen Insulin resistent werden können. "Ein
völlig neues Terrain", erklärt der Stiftungs-Preisträger. Doch scheinen genau jene bei der
Arteriosklerose so fatalen Fresszellen Insulin-Rezeptoren zu tragen, die abstumpfen könnten. Nach Herzigs
Erkenntnissen produzieren insulinresistente Leber- und Muskelzellen ein Molekül namens RIP140 im Übermaß.
Diese Substanz schaltet ganze Batterien von Genen an oder aus, die am Zuckerstoffwechsel beteiligt sind. Tatsächlich
hat Herzig jetzt auch aktive RIP140-Moleküle in den Fresszellen nachgewiesen: "Wir glauben, dass RIP140
die fatale Cholesterinaufnahme und die Ausschüttung von Signalstoffen kontrolliert." Ob die Annahme stimmt,
sollen neue Studien zeigen. Parallel gilt es, die entscheidenden molekularen Details zu beschreiben. Denn das langfristige
Ziel ist klar: RIP 140 mit neuen Medikamenten zu entschärfen - und so die aggressiven Fresszellen zu zügeln.
Jens Claus Brüning vom Institut für Genetik der Universität Köln erforscht die molekularen
Grundlagen einer fast eisernen Regel: Fast alle fettleibigen Menschen werden irgendwann insulinresistent. "Entzündungs-Signalstoffe
des Fettgewebes von Übergewichtigen, sagt der Wissenschaftler, "spielen bei dieser Störung eine
entscheidende Rolle." Dass etwa TNF-Alpha die Insulinresistenz ursächlich mit verursacht, gilt inzwischen
als sicher. Etliche Indizien aus
Zellkultur- und Tierversuchen haben gezeigt: Im Sinne eines echten Störfeuers beeinflusst das Entzündungssignal
die Signalkaskade, die der Insulin-Rezeptor normalerweise "anwirft". "Somit verpufft das Insulin-Kommando
wirkungslos - und der Zucker bleibt im Blut", sagt Brüning. Ob auch der Botenstoff Interleukin-6 (Il-6)
ähnlich fatal das Insulin-Kommando ausschaltet, will sein Team mit Knock-out-Mäusen herausfinden, die
in ihren Muskel- und Leberzellen keine funktionsfähige Bindungsstelle für das IL-6-Molekül herstellen
können. Der Plan: Diese Mäuse so lange zu mästen, bis sie fett sind. Sollten der Insulin-Signalweg
dann immer noch ausreichend funktionieren, würde IL-6 tatsächlich zur Insulinresistenz entscheidend beitragen.
Bestätigt sich das, folgt als nächster Schritt die molekulare Aufklärung des gestörten Stoffwechselweges,
um Ansatzpunkte für neue Medikamente gegen die Insulinresistenz zu finden.
Thomas Wirth aus der Abteilung Physiologische Chemie und Walter Knöchel aus der Abteilung Biochemie der
Universität Ulm haben die innerste Zellschicht der Gefäßinnenwand im Blick. Die Zellen dieses Endothels
locken bei der Arteriosklerose die Fresszellen förmlich an - natürlich über entzündliche Prozesse.
"Dabei scheint vor allem das Protein NF-KappaB die entzündliche Reaktion in den Endothelzellen zu regulieren
und zu fördern", erklärt der Preisträger. NF-KappaB wird etwa bei hohem Cholesterinspiegel
oder bei Typ-2-Diabetes verstärkt gebildet. Dieses Molekül wiederum ist funktional eng verbunden mit
zwei weiteren Signalwegen, die vom Gen-Schalter FOXO3 und dem Botenstoff TGFBeta1 ausgehen. "Beide Signalwege",
sagt Wirth, "wirken gemeinsam und hemmen anfangs die arteriosklerotische Entzündung." Allerdings
gewinnt offenkundig NF-KappaB die Überhand und blockiert den Schutzmechanismus. In tierexperimentellen Studien
will die Ulmer Arbeitsgruppe nun klären, ob ein Stamm eigentlich arterioklerose-anfälliger Mäuse
gesund bleibt, wenn man FOXO3 quasi vor NF-KappaB schützt. Stellt sich das heraus, gilt es den Mechanismus
der Inaktivierung zu entschlüsseln, um den Prozess ganz gezielt mit innovativen Medikamenten zu stoppen -
auf dass die Gefäßwand von den Plaques befreit wird.
Weitere Informationen erteilen:
- Prof. Dr. Thomas Wirth, 0731 - 5023270, E-mail
thomas.wirth@medizin.uni-ulm.de
- Dr. Stephan Herzig, 06221 - 423594, E-mail s.herzig@dkfz.de
- Prof. Dr. Jens Claus Brüning, 0221 - 4702467, E-mail
jens.bruening@uni-koeln.de
- Prof. Dr. Katrin Schäfer, 0551 - 3912575,
E-mail katrin.schaefer@med.uni-goettingen.de
Über Novartis
Die Novartis AG (NYSE: NVS) ist ein weltweit führendes Unternehmen in den Bereichen Pharma und Consumer
Health. Im Jahr 2003 erzielte der Konzern einen Umsatz von USD 24,9 Milliarden und einen Reingewinn von USD 5,0
Milliarden. Der Konzern investierte rund USD 3,8 Milliarden in Forschung und Entwicklung. Novartis hat ihren Sitz
in Basel (Schweiz). Die Novartis Konzerngesellschaften beschäftigen rund 80.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
in über 140 Ländern. Weitere Informationen finden Sie im Internet unter http://www.novartis.de.
Pressekontakt:
Novartis Pharma GmbH
Novartis Kommunikation
Roonstraße 25
90429 Nürnberg
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Philipp Kreßirer
Referent Kommunikation
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E-Mail: novartis.kommunikation@pharma.novartis.com
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