Informationsdienst Wissenschaft (idw), 12.01.2004 

Sicherheitsrisiko: Arzneimittelinformation im Internet

Die meisten Homepages zu Viagra informieren schlecht und gefährden den Nutzer / Studie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg veröffentlicht

Informationen zu Viagra(R) im Internet sind meist unvollständig und ungenau. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg, die insgesamt 303 Homepages zum Potenzmittel Viagra untersucht hat und jetzt im "British Journal of Clinical Pharmacology" erschienen ist. So geben zum Beispiel nur ein Fünftel der beurteilten Homepages die maximal erlaubte Dosis pro Tag an; auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die eine Dosisanpassung erforderlich machen, wird selten eingegangen. Homepages, die medizinisch-wissenschaftliche Literatur als Referenz angeben, enthalten meist qualitativ bessere Informationen.

"Schlechte Informationen zu Arzneimitteln im Internet sind ein Sicherheitsrisiko. Der Nutzer ist dadurch gefährdet", erklärt Prof. Dr. Walter Haefeli, Ärztlicher Direktor der Abteilung Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie am Universitätsklinikum Heidelberg, und weist darauf hin, dass dieses Risiko für einige Medikamente in Einzelfällen bereits belegt worden sei. Professor Haefeli hat die neue Untersuchung gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Dr. Meret Martin-Facklam, Michael Kostrzewa und Peter Martin veröffentlicht. Vor einem Jahr hat das Forscherteam bereits in einer Veröffentlichung auf die Informationsmängel von Homepages hingewiesen, die über das antidepressiv wirkende Johanniskraut, ein nicht verschreibungspflichtiges Naturheilmittel, informieren.

Viagra im Internet weist ein besonderes Risikopotenzial auf: Das Medikament mit dem Wirkstoff Sildenafil ist zwar verschreibungspflichtig, seine Kosten werden aber nur bei krankheitsbedingter Impotenz von den Krankenkassen erstattet. Viagra ist zudem, wenn es auf Rezept in der Apotheke erworben wird, sehr teuer, die Beschaffung über das Internet deshalb attraktiv. Dort konkurrieren zahlreiche Billig-Anbieter um einen wachsenden Markt für das Life-Style-Präparat, die es dem Interessenten z.T. gegen Online-Bezahlung nach Hause schicken.

Informationsmängel bei empfohlener Dosis und Wechselwirkungen

"Wir haben das Internet nach den Stichworten Viagra oder Sildenafil durchsucht und insgesamt 303 deutsche, englische, französische und italienische Homepages bewertet," berichtet Dr. Meret Martin-Facklam. Die Internet-Seiten enthielten Informationen zur Anwendung des Medikaments und boten zum Teil die Online-Bestellung an. Anhand einer Checkliste wurde die inhaltliche Qualität und Vollständigkeit der Informationen begutachtet.

Rund 88 Prozent der Homepages machen korrekte Angaben zum medizinischen Einsatz des Medikamentes bei Impotenz. Bei den Angaben zur täglich erlaubten Dosis und Frequenz der Einnahme gibt es größere Informationsdefizite. Auch der Hinweis, dass Viagra eine Stunde vor Eintritt der gewünschten Wirkung genommen werden sollte, fehlte bei einem Drittel der Homepages. Nebenwirkungen wie Sehstörungen und Kopfschmerzen werden dagegen meist genannt. Auch vor der gleichzeitigen Einnahme mit nitrathaltigen Präparaten, die zur Behandlung der koronaren Herzkrankheit eingesetzt werden, wird zumeist gewarnt. Weniger häufig wird dagegen auf seltenere, ebenfalls gefährliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten eingegangen, z.B. bestimmten Antibiotika und antivirale Mittel.

Literatur-Referenzen sind ein Indikator für die Qualität einer Homepage

Wie können Laien feststellen, ob der Informationsgehalt einer medizinischen Homepage seriös und vollständig ist? "Wir haben nun in zwei unabhängigen Studien nachgewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit medizinisch korrekter Angaben zu Arzneimitteln zu finden mit der Nennung wissenschaftlicher Literaturquellen assoziiert ist, so dass nun auch für Laien einfach anwendbare Qualitätsmarker zur Verfügung stehen", hebt Professor Haefeli hervor. Für verschreibungspflichtige Medikamente sind zudem Informationen der Zulassungsbehörden, auf die Homepages über Links verweisen, ein wichtiger Qualitätsindikator.

Enttäuscht waren die Wissenschaftler von ihrem fehlgeschlagenen Bemühen, die Betreiber der mangelhaften Homepages zur Nachbesserung zu bewegen. Mehr als 100 Webmaster waren per E-Mail angesprochen worden, ihre Homepages waren sieben und 22 Wochen später erneut überprüft worden und blieben meist unverändert. Deshalb schlagen die Heidelberger Wissenschaftler vor, die Nutzer besser aufzuklären und ihr kritisches Bewusstsein im Umgang mit medizinischer Information im Internet zu schärfen.

Ansprechpartner:
Dr. Meret Martin-Facklam
E-Mail: meret_martin-facklam@med.uni-heidelberg.de

Prof. Dr. Walter Haefeli /Sekretariat): 06221 / 56 87 40
E-Mail: Walter_Haefeli@med.uni-heidelberg.de

Abteilung Innere Medizin VI - Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie
Medizinische Klinik und Poliklinik Universität Heidelberg
Bergheimer Straße 58, 69115 Heidelberg

Literatur:
Martin-Facklam M, Kostrzewa M, Martin P, Haefeli WE: Quality of drug information on the World Wide Web and strategies to improve pages with poor information quality. An intervention study on pages about sildenafil. Br J Clin Pharmacol. 2004;57(1):80-5.

Meret Martin-Facklam, Michael Kostrzewa, Falk Schubert, Christiane Gasse, Walter E. Haefeli: Quality Markers of Drug Information on the Internet: An Evaluation of Sites about St. John's Wort, American Journal of Medicine, 15. Dezember 2002, Band 113, S. 740 - 745.

(Die Originalartikel können bei der Pressestelle des Universitätsklinikums Heidelberg unter
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