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dpa / news aktuell - ots, 24.02.2006
Politik statt Wissenschaft - Diabetiker tragen die Folgen
Berlin (ots) - "Was hier
und heute in Deutschland passiert, ist einzigartig auf der Welt,
einzigartig in der Wissenschaftsgeschichte und wissenschaftlich
nicht zu erklären, sondern nur politisch", so Priv.-Doz. Dr.
med. Thomas Kunt, Deutscher
Repräsentant in der Richtlinienkommission der "International
Diabetes Federation" (IDF), dem höchsten
Diabetologie-Dachverband, anlässlich der gestrigen gemeinsamen
Pressekonferenz von Novo Nordisk und Lilly Deutschland in Berlin.
"Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im
Gesundheitswesen IQWIG kommt bei der Bewertung der Vor- und
Nachteile kurzwirksamer Insulin-Analoga zu einem Ergebnis, das in
krassem Widerspruch zu den Bewertungen sämtlicher internationaler
Gremien steht. Auf Basis der gleichen Studien- und Datenlage kommen
international anerkannte Institute zu einer positiven Bewertung der
modernen kurzwirksamen Insulin-Analoga. Darüber hinaus werden
Patienten durch die inkorrekten Unterstellungen aus den
Sicherheitsdaten noch zusätzlich verunsichert", erläutert
Kunt.
Vor dem Hintergrund des drohenden Wegfalls der
Verordungsfähigkeit der gesamten Klasse der kurzwirksamen
Insulin-Analoga als Folge des IQWIG-Berichtes vom 15. Februar hatten
die beiden führenden forschenden Diabetes-Unternehmen eine
Experten-Runde zusammengerufen, um auf die negativen Auswirkungen
hinzuweisen. Ob Kassenpatienten zukünftig noch Zugang zu diesen
modernen Insulinen haben werden, steht derzeit beim Gemeinsamen
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) zur Entscheidung
an.
"Ich werde mit all meiner ärztlichen und
wissenschaftlichen Erfahrung unbeeinflusst von Industrieinteressen
darum kämpfen, dass keine Arzneimitteltherapien von der
Verordnungsfähigkeit auf Grund fehlerhafter oder unzureichender
Arbeit des IQWIG ausgeschlossen werden. Im Interesse der etwa 70
Mio. GKV-Mitglieder in Deutschland betrachte ich es als eine Unmöglichkeit,
wenn aus den Beiträgen der gesetzlich Versicherten, die doch für
die Versorgung im Krankheitsfall gedacht sind, ein Institut
finanziert wird, das unter bewusster Ausgrenzung vorliegender
wissenschaftlicher Erkenntnisse fachlich unvertretbare
Entscheidungen trifft. In dieser Einstellung weiß ich mich einig
mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
6.12.2005", so Prof. Dr. med. Heinz Letzel, Mitglied des
Humanwissenschaftlichen Zentrums der LMU, München.
"Novo Nordisk ist seit 82 Jahren in der
Diabetes-Forschung tätig und hat viele Innovationen herausgebracht,
so auch die Klasse der Insulin-Analoga. Wir werden uns weiter in der
Forschung engagieren, egal wie die Politik entscheidet. Ich befürchte
allerdings, dass der Therapiestandard für Diabetes in Deutschland
auf ein Maß gedrückt werden soll, das weit unter dem etablierten
Standard der europäischen Nachbarländer liegen wird. Wir würden
das für die betroffenen Patienten sehr bedauern", so Dr. med.
Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer Novo Nordisk Pharma GmbH.
"Die Bewertungsmethodik des IQWIG und die zugrunde
gelegten Studien bilden nur die halbe Wahrheit ab, die andere Hälfte
ergibt sich aus den realen Anforderungen im Alltag. Die optimale
Blutzuckereinstellung beim Diabetes mellitus ist eine sehr
individuelle Therapie. Wir sind der Meinung, dass die Auswahl der
heute zur Verfügung stehenden Insuline erhalten bleiben muss, um
jeden Patienten individuell und konsequent therapieren zu können.
Die kurzwirksamen Insulin-Analoga müssen aus diesem Grund auch
weiterhin für alle Kassenpatienten verordnungsfähig bleiben",
so Dr. med. Nick Schulze-Solce, Mitglied der Geschäftsführung der
Lilly Pharma Holding GmbH.
"Randomisierte kontrollierte Studien und
Metaanalysen beschreiben nicht die Therapiewirklichkeit und
stellen keineswegs die alleinigen Grundlagen für die
Evidenzbasierte Medizin dar, was noch nicht einmal das IQWIG selbst
bestreitet. Die Expertise des Arztes und das Befinden des Patienten
sind die wichtigsten Voraussetzungen für die adäquate Therapie.
Und deshalb gibt es für eine Vielzahl von Diabetes-Patienten keine
Alternative zu den kurzwirksamen Analog-Insulinen", so Dr. med.
Rolf Renner, Diabetologe am Endokrinologikum München.
Kurzwirksame Analoga haben sich seit 10 Jahren als eine
wesentliche Verbesserung bei der Therapie des Diabetes mellitus
durchgesetzt. International von der Wissenschaft empfohlen - nicht
als Luxusversorgung, sondern als ein die Lebensqualität
verbesserndes und die Langzeitfolgen verringerndes modernes Insulin.
Beim Humaninsulin muss sich der Patient exakt nach der Wirkweise des
Medikamentes richten. Das analoge Insulin gestattet dem Patienten,
wieder ein normales Leben zu führen. In Deutschland sind etwa
400.000 Patienten auf diese modernen Insuline eingestellt, das
entspricht einem Anteil von ca. 40 Prozent, in anderen europäischen
Ländern ist der Anteil deutlich höher, in Großbritannien sind es
annähernd 80 Prozent.
Der Beschlussentwurf des G-BA steht in krassem
Widerspruch zu der Verlautbarung der Bundesregierung, Patienten stärker
am medizinischen Fortschritt teilhaben zu lassen und insbesondere
die Versorgung chronisch Kranker zu stärken. Wenn eine Therapie mit
Humaninsulin die individuellen Patientenanforderungen nicht abdeckt,
muss die Verordnung eines Analog-Insulins auch weiterhin problemlos
möglich sein, waren sich die Experten einig.
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Lothar Besançon
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Unterschriftenaktion
für Insulin-Analoga
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