DDB Deutscher Diabetiker Bund, 15.02.2006

Ärztliche Therapiefreiheit – der Mensch mit Diabetes im Mittelpunkt

Pressekonferenz des Deutschen Diabetiker Bundes (DDB)
„Diabetiker wehren sich!“, Berlin, 15. Februar 2006

Berlin – 15. Februar 2006. Berufstätige, ältere Menschen, Autofahrer oder auch Sportler – wer sein Leben als Diabetiker aktiv gestalten möchte, muss sich auf herbe Einschnitte in seinem Alltags- und Freizeitleben einstellen, darauf weist Dr. med. Eva-Maria Fach, Vorsitzende des Bundesverbandes Niedergelassener Diabetologen (BVND), hin. Schuld daran, so die niedergelassene Ärztin aus Rosenheim, werden nicht die Mediziner sein. Schuld ist eine politisch installierte Bürokratie, die wirtschaftliche Interessen über die der Patienten stellt. Der Hintergrund: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) unter der Leitung von Prof. Dr. Sawicki sieht bedingt durch einseitige Auswahl der vorliegenden Studien keinen Zusatznutzen der kurzwirkenden Analoginsuline für Typ 2 Diabetiker. Nicht berücksichtigt werden bei dieser Sichtweise die Erfahrung der diabetologisch tätigen Ärzte noch die Eigenerfahrung der Patienten. Dadurch ist zu befürchten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss, der maßgeblich über das Aus von Therapien mitentscheiden kann, die ‚kurz wirksamen Analoginsuline’ aus der Verordnungsfähigkeit für gesetzlich versicherte Typ 2 Diabetiker nehmen wird. Diese Insuline aber haben den Menschen mit Typ 2 Diabetes ein flexibleres Leben ermöglicht, ihre Lebensqualität erhöht und ihre Gesundheit durch eine bessere Stoffwechseleinstellung gesichert.

„Uns Ärzten wird dadurch die Freiheit, über die richtige Therapie für jeden einzelnen Patienten zu entscheiden, genommen. Die Patienten bezahlen dies mit geringerer Lebensqualität und möglichen Einschränkungen ihrer Gesundheit“, kritisiert Dr. Fach, und: „Therapie wird nicht mehr durch die Medizin, sondern durch die Politik bestimmt. Es droht die Gefahr, dass Institute und Ausschüsse, aber nicht mehr jeder einzelne praktizierende Arzt über das Wie der individuellen Patientenbehandlung entscheiden. Wir Ärzte wehren uns dagegen, Marionetten bürokratischer Entscheidungen zu werden.“

Kurz wirksame Analoginsuline (= insulinähnlich) könnten bald nicht mehr in der Therapie des Diabetes Typ-2 zum Einsatz kommen, stattdessen soll es nur noch Normalinsulin geben. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln ist der Ansicht, dass kurz wirksame Analoginsuline dem Diabetiker keinen therapeutischen Vorteil bieten, der durch Studien belegt werden kann. „Das IQWiG hat die falsche Brille auf – es läßt in der Bewertung nur einseitig ausgesuchte Studien zu, die die Erfahrungen der Ärzte und die Eigenerfahrung der Patienten nicht berücksichtigt, die auch zur Erfassung einer Evidenz basierten Medizin gehören“, kritisiert Dr. Fach.

Ärztliche Therapiefreiheit in Gefahr!

Es ist aus Sicht der Diabetiker eine unheilvolle Entscheidungskaskade in Gang gesetzt worden: Das IQWiG stellt die Unwirtschaftlichkeit der kurz wirksamen Analoginsuline fest. Das Institut bereitet die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vor, in dem Vertreter der Ärzte, Krankenhäuser und Krankenkassen sitzen. Der G-BA entscheidet maßgeblich über das Schicksal der Therapien, die Ärzte auf Kosten der Kassen anbieten dürfen. Folgt der Ausschuss der Empfehlung, können Diabetologen künftig kurz wirksame Analoginsuline ihren Patienten mit Typ 2 Diabetes nicht mehr als Regelfall verordnen. Der Grund: die Krankenkassen müssen – und werden voraussichtlich – diese modernen Medikamente nicht mehr erstatten. Neu einzustellende Patienten würden in diesem Fall wieder auf das ältere, unflexiblere Normalinsulin eingestellt werden oder müssen die kurz wirksamen Analoginsuline aus eigener Tasche bezahlen. Nur noch das Bundesgesundheitsministerium kann eine entsprechende Richtlinie des G-BA beanstanden (§94 SGB V).

„Die Belastungen der Patienten würde damit enorm zunehmen – finanziell und vor allem durch die Einschränkung ihrer Lebensqualität. Somit haben wir einen typischen Fall der Zweiklassenmedizin, die von unserer Gesundheitsministerin so vehement bekämpft wird. Und für uns Ärzte bedeutet dies, dass wir in unserer Therapiefreiheit eingeschränkt werden. Wir werden am Gängelband der Gesundheitspolitik geführt“, kritisiert Dr. Eva-Maria Fach. Dabei gibt es für Diabetespatienten eben nicht die Therapie von der Stange: „Die Therapie von Diabetespatienten ist Maßarbeit, und die Gefahr besteht, dass diese zu Lasten der Gesundheit der Menschen mit Diabetes Typ 2 künftig so nicht mehr möglich sein wird“, betont Dr. Fach. Fakt ist auch, dass nicht jeder Patient die kurz wirksamen Analoginsuline bekommen muss. Im Normalfall wird der Arzt mit Normalinsulin die Therapie starten und bei Problemen auf kurzwirkende Analoginsuline umstellen. „Noch können wir Ärzte anhand der Bedürfnisse des Patienten aus mehreren Therapieoptionen verantwortungsvoll die für jeden einzelnen beste Form auswählen. Das soll so bleiben“, fordert Dr. Eva-Maria Fach.


Verantwortlich: Dr. med. Eva-Maria Fach, Vorsitzende des Bundesverbandes Niedergelassener Diabetologen, www.bvnd.de; Redaktion: Joachim Stier – Barthelstr. 64 – 50823 Köln – T: 0221/430 82 37-6 – F: 0221/430 82 37-7 – M: 0170/2900 88 3 – E-Mail: JStier@t-online.de


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