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Informationsdienst Wissenschaft (idw), 25.02.2004
Zuckerkrankheit kann sich während der Schwangerschaft entwickeln
Gefahr fürs ungeborene Kind
Berlin, 20. Februar 2004 - Ungefähr bei jeder 20. Schwangeren entwickelt
sich während der Schwangerschaft eine Zuckerkrankheit, ein Schwangerschaftsdiabetes. Es ist bekannt, dass
einige Schwangere zum Beispiel wegen Diabetes in der Familie ein höheres Risiko für Schwangerschaftsdiabetes
haben. Meist können die Ärzte jedoch bei nicht genau vorhersagen, welche Frau davon betroffen sein wird.
Die Folgen für das Kind können erheblich sein. Früherkennung ist möglich - allerdings nicht
im Rahmen der von den Krankenkassen finanzierten Schwangerenvorsorge, wie die Arbeitsgemeinschaft maternofetale
Medizin (AGMFM) der DGGG und der Arbeitskreis Diabetes und Schwangerschaft der Deutschen Diabetes-Gesellschaft
betonen.
Die Kinder im Mutterleib werden durch den erhöhten Zuckergehalt des mütterlichen Blutes, das sie ernährt,
übergewichtig. Es kommt durch das Übergewicht der Kinder vermehrt zu schwierigen Geburtsverläufen,
häufiger zu Kaiserschnitten. Etwa bei jedem 10. Kind, das vor der Geburt stirbt, ist ein unentdeckter Schwangerschafts-Diabetes
zumindest mit beteiligt, wie Dr. Ute Schäfer-Graf, Fachärztin an der Geburtsklinik des Vivantes Klinikums
Berlin-Neukölln und Sprecherin des Arbeitskreises, betont. Es wird geschätzt, dass somit etwa 300 bis
400 Totgeburten in Deutschland pro Jahr durch einen unentdeckten Schwangerschaftsdiabetes verursacht werden. Viele
Kinder müssen nach solchen Schwangerschaften wegen Blutzuckerschwankungen länger im Kinderkrankenhaus
bleiben. Kinder, deren Zuckerstoffwechsel schon in der Gebärmutter - der sensibelsten Entwicklungsphase des
Menschen- belastet wurde, haben ein erhöhtes Risiko später Übergewicht und Diabetes zu entwickeln.
Um Schwangere mit einem Risiko für Schwangerschaftsdiabetes zu entdecken, wird der Urin jeder Schwangeren
bei den Vorsorgeuntersuchungen mit einem Diagnostik-Streifen auf seinen Zuckergehalt untersucht. Allerdings ist
dieser Test nicht zuverlässig, da Zucker im Urin erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung auftritt
und die Ausscheidung von Zucker im Urin in der Schwangerschaft individuell sehr unterschiedlich ist. Eine zuverlässigere
Methode ist ist die Bestimmung des Zuckers im Blut nach einen Zucker-Belastungstest . Als Alternative kann auch
erst ein Suchtest durchgeführt werden, für den die Frau nicht nüchtern sein muß und nur nach
einer Stunde der Blutzucker gemessen wird. Ist dieser Blutzuckerwert erhöht, heißt muß über
den Belastungstest der Verdacht auf Schwangerschaftsdiabetes bestätigt oder ausgeräumt werden. Bei diesem
Belastungstest wird der Schwangeren morgens in nüchternem Zustand Blut abgenommen; dann bekommt sie einen
Zuckertrank, und nach einer oder zwei Stunden wird erneut der Blutzucker gemessen. Ein zu starker Anstieg des Blutzuckerspiegels
zeigt einen diabetischen Stoffwechsel an. Es kann dann eine Therapie eingeleitet werden mit einer veränderten
Ernährung und Lebensweise und gegebenenfalls auch mit Insulin, das in den richtigen Händen für das
Kind keine Gefahr, sondern einen großen Segen darstellt.
Der Blutzuckerbelastungstest (auch Glukosebelastungstest = GTT) wird im Rahmen der normalen Vorsorgeuntersuchungen
derzeit von den Krankenkassen nicht bezahlt. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Arbeitsgemeinschaft für
materno-fetale Medizin (AGMFM) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG)
bemühen sich seit langem intensiv um eine Änderung der Mutterschaftsrichtlinien, damit der Glukosebelastungstest
- einmalig mit 24 - 26
Schwangerschaftswochen - in das Schwangerenscreening aufgenommen und damit auch erstattungsfähig werden.
Im November 2003 hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossen, die Verhandlungen über
eine Aufnahme einer zuverlässigen Diagnostik auf Schwangerschaftsdiabetes in die deutschen Mutterschaftsrichtlinien
aufzuschieben. Dieser Beschluss löste bei Frauenärzten, Diabetologen und Kinderärzten und auch den
Betroffenen Unverständnis aus. Denn durch das Urinzuckerscreening werden 9 von 10 Fälle von Schwangerschaftsdiabetes
übersehen.
Der Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen lehnte ein Blutzuckerscreening mit der Begründung
ab, dass es derzeit keine ausreichend gesicherte Daten über den Nutzen dieser Untersuchung gibt. Das Prüfungsverfahren
orientierte sich am Prinzip der "Evidenz (= Beweis) basierten Medizin". Damit gilt nur als erwiesen und
wahr, was durch Studien mit sehr hohem wissenschaftlichen Niveau belegt ist. Das wären zum Beispiel Studien,
die einem Teil der Schwangeren eine Therapie vorenthalten, um durch den Vergleich mit der behandelten Gruppe zu
beweisen , dass die Therapie sich günstig für Mutter und Kind auswirkt. Das ist allerdings ethisch nicht
zu vertreten. Zudem wäre ein beträchtlicher Teil unserer - sinnvollen und notwendigen - Routineuntersuchungen
in der Schwangerschaft niemals in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen worden, hätte man immer nach den
strengen Kriterien der Evidenz basierten Medizin geurteilt.
Die Verhandlungen über die Aufnahme der Blutzucker-Untersuchungen in die Mutterschaftsrichtlinien sollen nach
Vorliegen der Ergebnisse einer großen weltweiten Studie, die die Auswirkungen von Schwangerschaftsdiabetes
untersucht, wieder aufgenommen werden. Allerdings besteht die Befürchtung, dass diese Ergebnisse - entgegen
den Annahmen des Bundesausschusses frühestens 2006/7 vorliegen werden; bis dahin werden weiterhin 90% aller
Fälle von Schwangerschafts-Diabetes unentdeckt bleiben mit all ihren Folgen für die Kinder und ihre Mütter.
So lange die Untersuchung auf eine schwangerschaftsbedingte Zuckerkrankheit nicht von den Krankenkassen bezahlt
wird, dürfen Ärzte diese Leistung zwar erbringen, die Schwangeren müssen sie allerdings selbst bezahlen.
Die Kosten belaufen sich auf 15 - 35 Euro für den Glukose-Belastungstest inklusive Beratung.
(pr)
Arbeitsgemeinschaft maternofetale Medizin (AGMFM) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
(DGGG), Arbeitskreis Diabetes und Schwangerschaft.
Ansprechpartner:
Sprecherin des AK: Dr. Ute M.Schäfer-Graf, Geburtsklinik des Vivantes Klinikums Neukölln in Berlin. Telefon
030-6004-8486 oder 030-4505-64072/92; e-mail: ute.schaefer-graf @vivantes.de
Prof. Dr. Klaus Diedrich, Präsident der DGGG, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe,
Universitätsklinikum Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck.
Prof. Dr. Klaus Vetter, Vizepräsident der DGGG, Chefarzt der Klinik für Geburtsheilkunde, Vivantes Klinikum
Berlin-Neukölln, Mariendorfer Weg 28-38, 12051 Berlin; e-mail klaus.vetter@vivantes.de
verantwortlich:
DGGG: Susanna Kramarz, Tel. 030 - 308 123 11; e-mail redaktion@dggg.de.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.dggg.de
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Ein Projekt der Universitäten Bayreuth, Bochum und der TU Clausthal
Im WWW: http://idw-online.de/
Kontakt-Adresse: service@idw-online.de
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