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Bundesverband Niedergelassener Diabetologen e.V. (BVND), 19.02.2004
BVND holt Diabetes-Experten an einen Tisch
Mühlhausen. Auf dem 4. Expertenhearing des Bundesverbandes Niedergelassener
Diabetologen e.V. (BVND) in Frankfurt am Main diskutierten vergangenen Freitag engagierte Beteiligte des Versorgungsgeschehens
und kritische Begleiter des gesundheitspolitischen Geschehens. Thema waren die zwei heiß umstrittene Dauerbrenner
aus dem Bereich Diabetes, DMP und DQM. Hochkarätige Experten füllten diese beiden Abkürzungen mit
Leben und legten mit ihren Ausführungen die Basis für eine lebhafte Diskussion der Anwesenden, die die
Sachkomplexe Versorgungsstrukturen und ihre gesetzliche Rahmenbedingungen sowie Qualitätsmanagement in der
Diabetologie in ihrer ganzen Tiefe ausleuchtete. Nicht zuletzt diese regelmäßigen Expertenhearings belegen,
so Dr. med. Richard Daikeler, 2. Bundesvorsitzender des Verbands, die Kompetenz des BVND als Partner für die
weitere Strukturierung im Diabetes-Bereich.
Daikeler beschwor als Organisator der Veranstaltungsreihe in seiner Eröffnungsmoderation Kon-struktivität:
"Es kann nicht sein, dass eine Studie, die vor 20 Jahren designt wurde, die Versorgung im Jahre 2004 bestimmt.
Da sind sich alle einig. Aber darum geht es heute nicht." Auch in seiner vierten Auflage verfolgte das Expertenhearing
vielmehr ein Motto, das Ko-Moderator und BVND-Vorstandsmitglied Dr. med. Jörg von Hübbenet zu Anfang
der Veranstaltung im Airport Conference Center ausgab: "Es gibt heute kein Gejammer, sondern kritische und
gewichtige Argumente." Zum Thema Disease Management Programme (DMP) lieferte Simone Hartmann, Leiterin der
Landes-vertretung Sachsen der Techniker Krankenkasse, das erste Argument und stellte einige Ergebnisse einer Studie
des Berliner IGES-Instituts über den Aufbau eines effektiven und effizienten Disease Management Programms
vor. "Die knappen Ressourcen dürfen nicht länger mit der Gießkanne verteilt werden."
mahnte sie eine Potenzial-bezogene Auswahl von Patienten für DMPs an. Hart-mann kritisierte eine Politik,
die von Qualitätsoptimierung redet und gleichzeitig die letzten Instru-mente dazu in den Programmen beerdige.
Letztlich, so war man sich einig, sei die Forderung nach einer Abkehr vom Gießkannenprinzip ein Plädoyer
dafür, die Entscheidung darüber, wer von einem DMP-Programm profitiert, in die Hände von Ärzten
zu legen - denn die verstehen etwas davon.
Dr. med. Hans-Martin Reuter, BVND-Vorstandsmitglied aus Jena, stellte neben den Grundlagen des DMP-Vetrags in Thüringen
eine Meinungsumfrage der Initiativgruppe Mitteldeutschland DMP zu den bisherigen Erfahrungen der Hausärzte
und Schwerpunktpraxen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit dem DMP Typ-2 Diabetes vor. Die Befragten
äußerten sich kritisch, im Visier waren Dokumentationsaufwand und fehlende Wissenschaftlichkeit der
Programme sowie eine mit ihnen einhergehende wirtschaftliche Verschlechterung.
Positiver klang da schon das Fazit von Dr. med. Walter Dresch, Mitglied im Vorstand der KV Nordrhein, der in Vertretung
von deren Vorsitzenden Dr. med. Leonhard Hansen die Erfahrungen mit strukturierter Diabetiker-Versorgung zwischen
Rhein und Ruhr vorstellte. "Die KV Nordrhein unterstützt DMP auch weiter.", betonte Dresch, die
Programme seien letztlich im Interesse der Ärzte und Patienten. Der Grund für diese Unterstützung
mag auch in den positiven Erfahrungen mit dem dortigen Strukturvertrag liegen, dessen Ergebnisse und Vorteile Dresch
stolz noch einmal präsentierte. Dr. med. Martin Lederle, Vorsitzender der AG Diabetologischer Schwerpunktpraxen
Westfalen-Lippe, formulierte es in der Diskussion so: Auch Patienten, die gut eingestellt sind, sollten in ein
DMP eingeschrieben werden, nämlich um die Versorgung zu halten und nicht auf das Niveau des EBM zurück
zu fallen. Strukturierte Versorgung macht Sinn - wenn sie gut gemacht ist.
Der Rechtsanwalt Herbert Wartensleben traf mit einem mehr grundsätzlichem Thema den Nerv der Diskussion: Inwiefern
kollidieren die gesetzlichen Vorgaben zum DMP mit dem gesetzlichen Anspruch des Patienten auf ausreichende Versorgung?
Ausdrücklich kritisierte er die Tendenz der Sozialgerichtsbarkeit, dem Leistungserbringerrecht Vorrang gegenüber
diesem Patientenanspruch einzuräumen, das Leistungserbringerrecht werde so zur Stellschraube, mit der Ansprüche
der Patienten herunter gefahren werden könnten. Was in der Praxis daraus gemacht wird, fürchte er viel
mehr als die gesetzliche Regelung selbst, warnte Wartensleben, wie man an den Wirtschaftlichkeits-prüfungen
sehe. Denn rechtlich, das machte der Stolberger Medizinrechtsspezialist klar, entscheide allein der Arzt im Rahmen
der Therapiefreiheit selbstständig, welche Therapie im Einzelfall ange-wendet wird. Er sei nicht auf die in
den DMP-Verträgen präferierten evidenzbasierten Methoden beschränkt. Schließlich trage der
Arzt auch die Last der Haftung, auch bei Behandlung nach DMP.
Qualität in den Versorgungsstrukturen war schon immer ein Thema der Expertenhearings des BVND. Besonders aktuell
ist das Thema angesichts der gesetzlichen Verpflichtung zu Qualitätsmanagement-Maßnahmen in der ärztlichen
Praxis sowie den Diskussionen über die Zertifizierungsrichtlinien der DDG für diabetologisch tätige
Einrichtungen. In Frankfurt waren auch zu diesem Sachgebiet hochkarätige Vortragende der Einladung des Bundesverbands
gefolgt, die sich der Herausforderung Qualitätsmanagement von verschiedenen Seiten näherten.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen als Dienstleister ihrer Ärzte, mit diesem Vorsatz entwickelte die
KBV ein speziell auf die Anforderungen der Arztpraxis ausgerichtetes Konzept für ein QM-System. Dr. Franziska
Diel vom Dezernat Versorgungsqualität und Sicherstellung der KBV stellte das Programm vor, das ab dem vierten
Quartal für die Breite der Kassenärzte zur Verfügung stehen wird. "Wir wollten das in ärztlicher
Hand behalten.", erklärte Diel die von der Ärzteschaft durchaus kritisch beurteilte Entwicklung
unter dem Dach der Selbstverwaltung. Nachteile branchenfremder QM-Systeme sollten durch den Bezug auf den Ablauf
in den Praxen vermieden werden, der irr-sinnige Aufwand der Verschriftlichung und zu allgemeine, unklare Sprache
seien zum Beispiel Schwachstellen des ISO-Systems, die eine teure externe Beratung beim Aufbau des Qualitätsmana-gements
fast unverzichtbar machten. Deutlich warnte Diel vor überstürztem Handeln: Es besteht keine Verpflichtung
zur Zertifizierung eines QM-Systems, gesetzlich gefordert ist einzig dessen Aufbau. "Es gibt keinen Grund
zu Panikaktionen!" erklärte die KBV-Expertin.
Dr. med. Ralf Bierwirth präsentierte die Sicht der wissenschaftlichen Fachgesellschaft und sprach über
Qualitätskriterien in der diabetologischen Schwerpunktpraxis aus Sicht der DDG. Diese sind eingebettet in
deren neues, dreistufiges Konzept, das ein Basiszertifikat für die flächendeckende Versorgung von Diabetikern
kennt und darüber hinaus Behandlungseinrichtungen und klinische Diabetes-Zentren definiert. Erst ab der zweiten
Stufe sei ein Qualitätsmanagement gefordert, das sechs Qualitätsitems überprüfe. Diese Überprüfung,
so die Konsequenz aus dem überraschenden Mitgliedervotum der letztjährigen DDG-Tagung in Bremen, werde
nun nicht mehr von der DDG selbst, sondern von durch sie zugelassene Zertifizierungseinrichtungen durchgeführt.
Angesichts der Kontroversen über ein praxistaugliches Konzept appellierte Bierwirth zum Schluss seines Vortrags
an die Diabetologen: "Sehen wir die Qualitätsdiskussion als Chance, die wir nutzen müssen!"
Mit dem Diabetes Qualitäts Modell DQM erläuterte Dr. med. Michael Jecht den Anwesenden zum Schluss ein
Qualitätsmanagementtool für die diabetologische Schwerpunktpraxis. Es erfasse systematisch die Unterschiede
zwischen dem angestrebten und den tatsächlich erreichten Leistungsresultaten, analysiere die Ursachen und
leite Verbesserungen ein. Auch der Berliner Diabetologe und Mitentwickler des DQM vertrat in Frankfurt die Meinung,
dass eine Anerkennung durch einen unabhängigen Dritten die Position der diabetologischen Leistungsanbieter
gegenüber den Vertragspartnern und möglichen Rechtsansprüchen stärken würde.
Von Hübbenet bezeichnete die Veranstaltung zusammenfassend als Beleg dafür, dass der BVND für die
weitere Strukturierung im Diabetes-Bereich ein unverzichtbarer und kompetenter Partner ist. Der Verband ist bereit,
diese Kompetenz in Gespräche einzubringen, sei es mit Kostenträgern bei Verhandlungen über DMP oder
Verträge zur integrierten Versorgung, sei es in der Abstimmung mit den verschiedenen Versorgungsebenen im
Bereich Qualitätsmanagement.
BVND Geschäftsstelle, Goethestr. 15, 69242 Mühlhausen.
Weitere Informationen und Downloads finden Sie auf der Homepage des BVND unter www.bvnd.de.
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