Informationsdienst Wissenschaft (idw), 05.08.2003 

Trend zu gesunder Ernährung vorläufig gestoppt ?


Das GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit hat auf der Basis vier groß angelegter epidemiologischer Studien Trends im Ernährungsverhalten von 1984 bis 2001 unter die Lupe genommen und die Ergebnisse dazu nun veröffentlicht. Zur Überraschung der GSF-Wissenschaftler erreichte der allgemeine Trend hin zu gesunder Ernährung seinen vorläufigen Höhepunkt bereits in der zweiten Hälfte der 80er Jahre. Er hielt zwar bis 1995 weiter an, im Verlauf bis 2001 trat dann allerdings eine leichte Verschlechterung des Ernährungsverhaltens ein. Die Gründe dafür können, müssen aber nicht zwangsläufig in einem nachgelassenen Gesundheitsbewusstsein zu suchen sein. Vielmehr könnte ein rein "methodischer" Faktor, nämlich eine deutlich geringere Beteiligung an der letzten der vier Studien eine Rolle spielen.

An den vier Studien, die im Rahmen des MONICA-Projektes und der Forschungsplattform KORA - Kooperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg - liefen, nahmen jeweils zwischen 4000 und 5000 Männer und Frauen aus der Region im Alter von 25 bis 74 Jahren teil. In standardisierten Interviews wurden sie jeweils nach ihren Verzehrshäufigkeiten für 20 verschiedene Lebensmittelgruppen befragt. In einem nächsten Schritt bewerteten die Wissenschaftler die gemachten Angaben anhand der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bezug auf Herz-Kreislauferkrankungen. So wurde "täglicher Obstkonsum" beispielsweise mit 2 Punkten belohnt, während "Obstkonsum seltener als einmal die Woche" keinen Punkt erhielt. Die Summe der Bewertungen aller einbezogenen Lebensmittelgruppen ergibt den Ernährungsmusterindex, ein Maß, welches das Ernährungsverhalten der Studienteilnehmer insgesamt bewertet.

Einige Ergebnisse zur Entwicklung der Verzehrsgewohnheiten im Detail: Von 1984 bis 2001 sank die Verzehrshäufigkeit von Fleisch und Wurst bei den Studienteilnehmern der Region Augsburg deutlich, während der Konsum von Geflügel und Fisch entsprechend anstieg. Der Verzehr von Teigwaren nahm zu Lasten des Kartoffelkonsums zu. Die gemeinhin "gesunden" Brotsorten Vollkorn-, Schwarz- und Knäckebrot wurden 2001 deutlich seltener konsumiert als in den Studienjahren zuvor. Der Verzehr von Schokolade und Pralinen nahm dagegen gerade bei jüngeren Altersgruppen zu. Auch der Eierverzehr, der noch bis 1995 abgenommen hatte, nimmt seitdem wieder leicht zu.

Aus der Vielzahl solcher einzelner Bausteine schufen die Wissenschaftler mittels der Berechnung des Ernährungsmusterindices nun ein Gesamtbild, welches die Entwicklung des Ernährungsverhaltens darstellt: Die größten Veränderungen in Richtung einer gesünderen Ernährung erfolgten im Zeitraum von 1984 bis 1990. Bis 1995 verbesserte sich das Verhalten nur noch leicht, danach verschlechterte es sich sogar. Vor einer Überinterpretation dieser Entwicklung wird aufgrund des erwähnten Rückgangs in den Studienteilnehmerzahlen gewarnt. Dennoch werden Ernährungswissenschaftler solche Ergebnisse mit großem Interesse verfolgen. Denn nicht nur die Epidemiologen, auch sie dürften sich der Tatsache bewusst sein, dass möglicherweise die Ergebnisse sogar "geschönt" sind. Denn Studienteilnehmer geben erfahrungsgemäß aus zunehmendem Gesundheitsbewusstsein heraus eher Antworten in Richtung gesunder als ungesunder Ernährung.

Die hier vorgestellten Daten aus dem KORA-Studienzentrum sind von zentraler Bedeutung für das gesamte Gesundheitswesen. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur Ernährungsziele für die Bevölkerung festlegen sowie deren Erreichen überprüfen. Sie dienen auch als wichtige Grundlage für die Untersuchung möglicher Zusammenhänge zwischen der Ernährung und einer ganzen Reihe von Krankheitsbildern. So zeigen sich seit längerem deutliche Verbindungen zwischen dem Konsum einzelner Lebensmittel und einigen Krebsarten vor allem aber kardiovaskulären Erkrankungen. Diesbezüglich bleibt zu hoffen, dass sich der negative Trend der letzten Jahre nicht fortsetzt.

Literatur:
Sell, K. et al. (2003): Trends im Ernährungsverhalten in der Region Augsburg. Ergebnisse der MONICA-/KORA-Studien 1984 bis 2001. - Ernährungs-Umschau 50, Heft 6:208-213


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