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dpa / news aktuell - ots, 19.04.2006
Welches Antihypertensivum für welchen Patienten?
Bewertung der Antihypertensiva durch das
IQWiG: Stellungnahme zum Berichtsplan
Heidelberg (ots) - Angesichts
der großen Bedeutung der Volkskrankheit Hypertonie für die
kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität kommt der
medikamentösen antihypertensiven Therapie ein bedeutendes Gewicht
zu. Für die initiale Behandlung der Hypertonie stehen dem Arzt im
Wesentlichen die fünf Arzneimittelgruppen
Angiotensin-Converting-Enzym (ACE)-Hemmer, Angiotensin
II-Rezeptoren-Blocker, ß-Rezeptoren-Blocker, Calciumantagonisten
und Diuretika zur Verfügung. Aus diesen Substanzgruppen bedient
sich der verordnende Arzt entsprechend dem Konzept einer
Differentialtherapie. Hierbei gilt es, unter Anwendung von Kriterien
einer evidenzbasierten Medizin nicht nur die blutdrucksenkende
Effizienz einzelner antihypertensiver Wirkstoffe, sondern auch deren
Verträglichkeit und unerwünschte Wirkungen zu berücksichtigen. Im
Vordergrund der differentialtherapeutischen Erwägungen steht der
Anspruch,
hypertoniebedingte Organschäden und Folgekrankheiten sowie deren
Einfluss auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu
reduzieren. Diese ärztlichen Überlegungen müssen in einem
weiteren Schritt unter ökonomischen Gesichtspunkten analysiert und
einer vergleichenden Kosten-Nutzenbewertung unterzogen werden.
In letzter Zeit hat sich in Deutschland, mitbedingt
durch die Sparmassnahmen im Gesundheitssystem, die Diskussion um die
"richtige" antihypertensive Therapie verschärft und die
Frage nach den Kosten der Therapie in den Vordergrund gerückt. Das
von der Bundesregierung neu eingerichtete Institut zur Qualitätssicherung
und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist damit
beauftragt worden, eine Bewertung der antihypertensiven Therapie
vorzunehmen.
Eine solche Nutzenbewertung steht, von wem auch immer
sie durchgeführt wird, im Spannungsfeld sich widersprechender
Interessen: Auf der einen Seite die Arzneimittel-produzierende
Industrie, welche ihre Entwicklungskosten für ein Medikament
refinanzieren möchte und darüber hinaus am Medikament zu verdienen
trachtet. Auf der anderen Seite stehen "Politik" und
Versicherungsträger, denen es vornehmlich um die Senkung von
Arzneimittelkosten geht. Diese werden durch den Gemeinsamen
Bundesausschuss (G-BA) und das IQWiG repräsentiert. So wurde das
IQWiG im Zuge der Gesundheitsreform am 1. Juni 2004 gegründet. Es
wird im Auftrag des G-BA oder des Bundesgesundheitsministeriums
(BMG) tätig. Der G-BA wiederum ist ein
Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Krankenkassen
und Krankenhäusern. Seine Aufgabe ist es, zu konkretisieren, welche
ambulanten oder stationären medizinischen Leistungen ausreichend,
zweckmäßig und wirtschaftlich sind und somit zum Leistungskatalog
der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören. Im Spannungsfeld
dieser sich z.T. entgegenstehenden Interessen steht der Arzt, der
zuerst seinen individuellen Patienten verpflichtet ist und diese
nach bestem medizinischen Wissen und Gewissen behandeln möchte.
Unabhänge Sachverständige z.B. aus den
Fachgesellschaften, welche die Fachgebiete wissenschaftlich und
klinisch repräsentieren, müssen in diesem Interessenkonflikt den
Standpunkt einer dem Patienten verpflichteten Medizin vertreten. Sie
werden mit Recht aufgefordert, mögliche Interessenkonflikte
offenzulegen. Sowohl für die Industrie und deren Vertreter als auch
für das IQWiG erübrigt sich dies, da hier nicht von einem
Interessenkonflikt, sondern eher von offensichtlicher
Interessenvertretung auszugehen ist. Dabei sollte jedoch beachtet
und respektiert werden, dass hochkarätige Wissenschaftler fast
ausnahmslos als Studienleiter, Berater, Vortragende bei
Industrie-gesponserten Fort- und Weiterbildungsaktivitäten etc.,
aktiv sind. Trotz dieser möglichen Interessenkonflikte sind sie in
diesem Diskussionsprozess die eigentlichen Unabhängigen.
Der G-BA strebt mit argumentativer Unterstützung des
IQWiG als politische Konsequenz eine Richtlinie zur medikamentösen
Hypertoniebehandlung mit hoher Verbindlichkeit an, welche die ärztliche
Entscheidung ersetzen und die gegebenenfalls auch mit repressiven Maßnahmen
durchgesetzt werden soll. Die Deutsche Hochdruckliga ist sich mit
anderen Fachgesellschaften und ärztlichen Standesvertretungen einig
darin, dass Behandlungsvorgaben immer nur als Leitlinie für ärztliche
Entscheidung formuliert werden sollten. Die Deutsche Hochdruckliga
hat in ihren neuen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie der
Hypertonie die Kriterien für eine sachgerechte antihypertensive
Behandlung dargelegt. Diese Leitlinien geben dem behandelnden Arzt
Hilfestellung und Beratung, ohne ihn in seiner therapeutischen
Entscheidungsfreiheit zu gängeln. Kritische Leitlinien sind dazu
ein wichtiges Instrument der ärztlichen Arbeit.
Institutionell verordnete rigide Richtlinien, wie sie durch das
IQWiG und den G-BA vorgesehen sind, entmündigen den behandelnden
Arzt und vermögen einzelnen Patienten eine optimale Behandlung
vorzuenthalten.
Der vom IQWiG vorgelegte Berichtsplan gibt Anlass zur
Sorge um eine sachliche Auseinandersetzung. Beispielhaft seien
genannt
- Es fehlt eine Definition des Begriffes
"Nutzenbewertung".
- Die Kriterien für den Ein- bzw.
Ausschluss von Studien werden nicht begründet und erscheinen
willkürlich.
- Es werden wichtige Studien nicht in die
Beurteilung einbezogen, weil eines von mehreren untersuchten
Medikamenten in diesen Studien nicht in Deutschland verfügbar
ist, vorhandene Evidenz wird so willkürlich ausgeschlossen.
- Die Festlegung des Vorgehens "im
Sinne einer Metaanalyse" bleibt unklar
- Das Konzept einer Differentialtherapie
(unterschiedliche Behandlung von Patienten mit
Linksherzhypertrophie, Proteinurie, Herzinsuffizienz,
Diabetesrisiko, Z.n. Myokardinfarkt etc.) erscheint nicht berücksichtigt
Zusammenfassend steht die
Deutsche Hochdruckliga dem Verfahren selbst und dem jetzt
vorliegenden Berichtsplan des IQWiG kritisch gegenüber. Wie bereits
von anderen Fachgesellschaften angesprochen, lässt die gewählte
Vorgehensweise den Verdacht aufkommen, dass mittels dieses
Berichtsplans ein vorab intendiertes Ergebnis untermauert werden
soll.
Der Vorstand der
Deutschen Hochdruckliga
Pressekontakt:
Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL®, Deutsche Hypertonie Gesellschaft
Geschäftsführer: Diplom-Betriebswirt Joachim Leiblein
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