|
Informationsdienst Wissenschaft (idw), 14.04.2006
Neue Genvariante für Fettleibigkeit entdeckt
Zeigt die Waage nicht das Wunschgewicht, so kann die Ursache hierfür
auch in den Genen liegen: Etwa zehn Prozent der Bevölkerung besitzen
eine genetische Variante, die das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas)* im Kindes- und Erwachsenenalter erhöht.
Adipositas gilt unter anderem als eine der Ursachen für Bluthochdruck,
Typ-2-Diabetes, Herzinfarkt und einige Krebsarten.
Ein internationales Forscherteam analysierte jetzt zum ersten Mal insgesamt rund 100.000 Genvarianten im menschlichen Erbgut. Dabei
suchten die Wissenschaftler gezielt nach Auffälligkeiten, die bei Personen mit Übergewicht vermehrt auftreten. Sie entdeckten eine
Erbgutveränderung in der Nähe eines Gens, das den Fettstoffwechsel
steuert. Die gefundene Genvariante rs7566605 kommt sowohl bei Menschen
mit westeuropäischer wie auch mit afroamerikanischer Abstammung vor.
Die Forschergruppe um Professor Thomas Meitinger und Professor Erich
Wichmann (GSF, München) zeigten an einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe aus der Region Augsburg (KORA), dass Personen,
die diese Genvariante tragen, 30 Prozent häufiger übergewichtig sind
als Personen, die diese Genvariante nicht tragen. Parallel dazu untersuchten Professor Johannes Hebebrand und sein Team (Universität
Duisburg-Essen) diese Genvariante bei über 368 stark übergewichtigen
Kindern und ihren Eltern - und wiesen klar nach, dass rs7566605 von Eltern gehäuft an ihre übergewichtigen Kinder vererbt wird.
Die Untersuchungen sollen jetzt fortgeführt werden, um weitere genetische Ursachen für Übergewicht und Fettleibigkeit zu
identifizieren. "Wir hoffen, dass wir so die molekularen Prozesse aufklären können, die uns dick werden lassen. Das ist eine
Voraussetzung, um effektive Medikamente entwickeln zu können, die
Patienten mit Adipositas helfen", erklärt Hebebrand, Koordinator des
Genomnetzes "Adipositas". Das Genomnetz wird als ein Bestandteil des
Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) seit 2001 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Ob eine Person schnell oder langsam zunimmt, wird zu circa 50 Prozent
durch das Erbgut bestimmt. Es sind bereits mehrere Gene bekannt, die
das Gewicht beeinflussen. Abgesehen von extrem seltenen genetischen Varianten, so genannten monogenen Formen, machen die Gene allein
aber nicht dick - auch nicht die neu entdeckte Genvariante rs7566605.
"Vielmehr führt die Kombination aus genetischen Faktoren und Lebensstil bei veränderten Umweltbedingungen wie einer energiereichen
Ernährung und mangelnder Bewegung dazu, dass wir stark zunehmen", warnt Johannes Hebebrand klar. Die gesundheitspolitische Bedeutung der
Adipositas ist enorm: Der Epidemiologe Erich Wichmann betont, dass sich die Zahl der Fettleibigen in Deutschland in den letzten 20 Jahren
verdoppelt hat. Bereits jede dritte Frau und jeder vierte Mann sind hierzulande adipös.
Die vollständigen Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht.
* Der Unterschied zwischen Übergewicht und Fettleibigkeit/Adipositas
wird über den Body-Mass-Index (BMI; Gewicht/(Größe*Größe) in kg/(m*m))
definiert. Von Übergewicht spricht man ab einem BMI von 25, von
Adipositas ab 30 kg/(m*m).
Für weitere Informationen:
Projektmanagement NGFN
Projektträger im DLR
Heinrich-Konen-Straße 1, 53227 Bonn
Tel.: 0228/3821-331, Fax: 0228/3821-332
E-Mail: pm-ngfn@dlr.de
Internet: www.ngfn.de
GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Postfach 1129, 85758 Neuherberg
Tel: 089/3187-2460, Fax 089/3187-3324
E-Mail: oea@gsf.de
Internet: www.gsf.de
Copyright © 2006 Informationsdienst Wissenschaft (idw)
|
|